„Hospiz Gütersloh, guten Tag!“ Wenn Hospizleiterin Brigitte Gehle oder Pflegedienstleiterin Renate Leisner einen Anruf entgegennehmen, herrscht auf der anderen Seite der Leitung meist Ausnahmezustand. Fast täglich rufen bei ihnen Menschen an, die einen schwerkranken Angehörigen haben oder selbst lebensbedrohlich erkrankt sind. Oft geht dem Telefonat eine lange Leidensgeschichte voraus.

Und dann bricht alles heraus: „Die ersten Minuten gehören einfach dem Anrufer. Die meisten müssen erst einmal reden“, berichtet Brigitte Gehle. Ihre Kollegin Renate Leisner ergänzt: „Viele rufen aus einer Situation heraus an, in der sie sich sehr allein gelassen fühlen und beispielsweise nicht wissen, wie es nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus weitergehen kann.“

Dann stellen die beiden Hospizmitarbeiterinnen erst einmal Fragen. Ganz behutsam machen sie sich ein Bild von der Lage. Wo ist der Patient zurzeit, welche Erkrankung hat er, ist ein Hausarzt involviert? Und ist der Zeitpunkt für einen Einzug ins Hospiz schon gekommen, oder kann es mit einem Pflegedienst noch zu Hause weitergehen? Wäre eine ehrenamtliche Begleitung ambulant vielleicht schon eine erste Erleichterung?
Vor der Corona-Pandemie haben Frau Gehle und Frau Leisner dann den erkrankten Menschen vor der Aufnahme in seinem Umfeld besucht, um die Situation möglichst gut einschätzen zu können. „Zurzeit müssen wir diese Einschätzung per Telefon leisten, das ist eine Herausforderung, bei der uns zum Glück unsere langjährige Erfahrung hilft.“

Wie bekommt man einen Platz im Hospiz?

Um in einem Hospiz aufgenommen zu werden, gibt es einige Voraussetzungen. Einziehen können Menschen, die an einer weit fortgeschrittenen unheilbaren Erkrankung leiden, bei der nach menschlichem Ermessen weder Heilung noch Stillstand erwartet werden kann. „

Brigitte Gehle berät Anrufer im Hospiz

Es ist wichtig, dass wir im Vorfeld mit den Betroffenen besprechen, ob tatsächlich keine heilenden Therapien mehr gewünscht oder möglich sind“, so Brigitte Gehle. Wenn keine weitere Krankenhausbehandlung gewollt ist, die Versorgung im häuslichen Bereich nicht mehr gesichert ist – und, ganz wichtig: der Erkrankte einverstanden ist, kann er ins Hospiz aufgenommen werden.

Wie lange es dauere, einen Platz zu bekommen, möchten viele Anrufer wissen. Renate Leisner erklärt: „Die Plätze im Hospiz werden nach Dringlichkeit vergeben. Es gibt bei uns keine Liste, die wir von oben nach unten abarbeiten. Jede Anfrage und was dabei besprochen wird, dokumentieren wir in einem großen Ordner. Wenn ein Platz frei wird, gehen wir die Anfragen durch. Es sind sehr viele Kriterien, aus denen sich die Entscheidung zusammensetzt, wer nun aufgenommen wird. Wenn wir uns dann bei jemandem melden, um den Platz anzubieten, kann es sein, dass es für denjenigen dann gerade doch noch nicht soweit ist. Der nächste, den wir dann anrufen, ist dann aber vielleicht ganz erleichtert, weil sich hier die Lage bereits zugespitzt hat und er den Platz annehmen möchte. Irgendwie scheint es sich immer zu fügen.“
Eine bange Frage in den Telefonaten ist auch immer, was es kostet. „Für die Gäste im Hospiz entstehen keine Kosten, mit Ausnahme der üblichen Zuzahlungen für Medikamente oder ähnliches. Zu 95 Prozent übernehmen die Kranken- und Pflegekassen die Kosten, die übrigen Kosten bringen wir als Verein über Spenden auf“, kann Frau Gehle die Anrufer beruhigen. Meist erklären die Kolleginnen dann auch noch, wie die Verpflegung ist, dass man persönliche Gegenstände mitbringen darf und dass speziell im palliativen Bereich ausgebildetes Fachpersonal für die Gäste da ist. Nein, ein Arzt sei nicht immer anwesend, aber immer zeitnah ansprechbar.
Frau Leisner ist aufgefallen, dass gerade jetzt in der Corona-Zeit natürlich auch immer die Frage gestellt wird, ob man die Gäste im Hospiz denn besuchen dürfe: „Im Vergleich zu anderen Einrichtungen können wir hier sehr viel umfangreichere Besuche ermöglichen, natürlich im Rahmen eines strengen Hygienekonzepts.“

Das Gefühl, hier hat mal jemand Zeit für mich

Meist sind es Angehörige, die den ersten Anruf im Hospiz machen, aber ab und zu auch die Betroffenen selber. „Manche fragen schon recht früh an, einfach um schon einmal etwas Sicherheit zu haben“, erzählt Brigitte Gehle. „Wenn gewünscht, halten wir dann regelmäßig telefonisch Kontakt. Das kann guttun, gerade dann zum Beispiel, wenn jemand eine Therapie beendet hat und sich mit dem Ende der Behandlungen wie ganz allein in ein Loch gefallen erlebt. Eine Frau sagte mir, es fühle sich an, als sei sie nun nicht mehr wichtig. In den regelmäßigen Telefonaten möchte ich dann vermitteln, dass sie gesehen wird, dass sie nur nicht mehr im Rad der Behandlungsmaschinerie mitlaufen muss.“

Nicht immer wird aus einem Telefonat letztendlich eine Aufnahme. Aber auch das Gespräch, die Beratung und einfach das Gefühl, hier hat mal jemand Zeit für mich, sind für eine gute Begleitung am Lebensende wichtig.
Die einfühlsamen Telefonate nehmen für die Hospizleiterin und die Pflegedienstleiterin viel Zeit in Anspruch. Aber das ist auch gut so, sagen die beiden: „Wenn die Menschen nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll und wo sie Hilfe bekommen können, möchten wir ihnen ein Netz aufzeigen, das trägt.“