Haustiere begleiten ihre Besitzer oft eine lange und intensive Zeit. Sie wachsen ans Herz und prägen Tagesroutinen. Oft spüren wir bedingungslose Liebe zu diesem Wesen, das uns blind vertraut. Und auch wenn es mal die Schuhe zerkaute oder das Stuhlbein annagte, ist und bleibt es bester Freund.

All das fällt weg, wenn ein Tier stirbt. Es entsteht eine Lücke im Herzen. Und im Alltag: Tagesroutinen entfallen, weil das Aquarium nicht mehr gesäubert oder der Stall entmistet werden muss, es gibt keine Gassirunde und kein Schnurren auf dem Sofa mehr. Und so erscheint es eigentlich nur natürlich, dass der Mensch dann um seinen tierischen Freund trauert. Jeder auf seine Weise – so wie in der Trauer um einen Menschen, ist auch hier jeder unterschiedlich. Trauernde stoßen generell nicht immer auf Verständnis im Umfeld – das zeigt sich auch und besonders, wenn man „nur“ um ein Tier trauert. Sätze wie „Es war doch nur eine Katze“ oder „Und, kaufst du dir einen neuen Hund?“ signalisieren womöglich, dass es nicht angemessen scheint, dem Verlust des Tieres eine allzu große Bedeutung beizumessen. Dadurch fällt das Trauern schwer – wohin mit den Gefühlen, die einen überwältigen? Kann ich dem Chef sagen, dass ich mich gerade einfach nicht konzentrieren kann? Ist es normal, dass ich so erschüttert bin?

Im Bild: rechts Dr. Mary Ann Sommer, Tierärztin mit palliativem Schwerpunkt, links Mareike Neumayer, Trauerbegleiterin

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Zu Fragen wie diesen addiert sich zuvor beim Sterben eines Tieres oft noch, dass man als Besitzer in die Entscheidung über das Ende des Lebens miteinbezogen ist: Es kommt vielleicht der Punkt, wo der Tierarzt dazu rät, das Tier zu erlösen, es einzuschläfern. Wann ist der richtige Zeitpunkt dazu? Was wird dann passieren? Bin ich „schuld“?
Dr. Mary Ann Sommer ist Tierärztin und kennt diese Nöte und Gefühle der Tierbesitzer, sie betreut viele Tiere auch am Ende ihres Lebens. „Es hat sich entwickelt, dass die palliative Versorgung, also dass Lindern von Leid in nicht mehr heilbaren Situationen, tatsächlich zu einem Schwerpunkt für mich geworden ist“, so die Veterinärin, die mit ihrer mobilen Praxis in Haushalte und Ställe kommt.

Das Thema Sterben hat sie auch früher schon immer wieder intensiv beschäftigt – sei es, als in ihrer Kindheit das Lieblingshuhn starb und sie so erstmals den Tod erlebte oder auch später als junge Erwachsene bei einem plötzlichen und dramatischen Todesfall in der eigenen Familie oder in der Begleitung einer Freundin auf dem letzten Lebensweg. Sie beschäftigt sich mit Fragestellungen rund um das Ende des Lebens – und was Menschen und Tiere hier unterscheidet oder auch vielleicht eint. Ihre Abschlussarbeit in einer Zusatzausbildung widmete sie dem Thema „Homöopathie am Ende des Lebens“.

Intensive Begegnungen mit Mensch und Tier

Wenn sie heute bei einem Tier eine zum Tode führende Erkrankung diagnostizieren muss, erlebt sie Menschen in Extremsituationen – und wie groß die Liebe zum Tier sein kann: „Ich bin oft tief beeindruckt, welchen Platz die Halter für die Pflege des kranken Tieres in ihrem Leben machen. Das ist aufwändig und kräftezehrend, aber die Menschen tun es. Das muss man wertschätzen.“ Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um Hund, Katze, Vogel oder Pferd handele – „entscheidend ist die Bindung, die die Besitzer zu ihrem Tier haben.“
In diesen für sie oft intensiven Begegnung mit Menschen und Tieren berät und erklärt Mary Ann Sommer sehr genau, was auf dem letzten Weg passiert. „Es gibt Anzeichen, an denen Tiermediziner recht gut erkennen können, wann der Zeitpunkt gekommen ist, wo das Leid beendet werden sollte. Das bespreche ich dann mit den Besitzern.“ Oft seien auch Kinder dabei, erzählt sie. Dann sei es noch wichtiger, mit einfachen Worten, aber ganz ehrlich zu sagen, was passieren wird. Dabei helfen ihr sicherlich ihre Erfahrungen mit der tiergestützten Trauerbegleitung für Kinder, Jugendliche und ihre Familien, die sie im Rahmen einer Tätigkeit für den Bielefelder Verein „LAIKA – Trost aus vier Pfoten“ in der Betreuung von Tierbesitzer-Familien mit Kindern sammelte.
„Wenn es kein Notfall ist, wo man schnell handeln muss, gehe ich auch wieder und komme am nächsten Tag zurück. Ein guter Abschied ist wichtig. Vielleicht muss noch ein Pfotenabdruck gemacht werden oder ein letztes Foto“, erklärt die einfühlsame Tierärztin.

Wissen hilft

Jeder Abschied ist anders. „Manche möchten lieber nicht dabei sein und gehen solange hinaus“, erzählt sie. „Ein anderes Mal haben sich alle, die es kannten, um das Tier versammelt, als es eingeschläfert wurde. Und ich erinnere mich zum Beispiel an einen Mann, äußerlich ein gestählter Bodybuilder, der den Mut hatte, dabei zu sein, als sein Hund eingeschläfert wurde und seinen Tränen in großer Trauer freien Lauf zu lassen.“
Geschichten wie diese zeigen, wie unterschiedlich die Menschen mit Abschied und Verlust umgehen. Ihnen gemeinsam jedoch ist, dass es hilfreich ist, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, sich zu trauen, zu trauern. Oder auch zu wissen, welche Formen der Bestattung es gibt. All das gehört dazu.
Um Menschen darüber zu erzählen und sie in ihrer Umgehensweise mit dem Verlust eines Tieres zu stärken, hat Mary Ann Sommer gern zugesagt, als die Anfrage vom Hospiz- und Palliativ-Verein Gütersloh kam, zum Thema Trauer um ein Tier ein Seminar zu geben. Sie wird aus ihrer palliativen Tätigkeit berichten und darüber, was in der letzten Lebensphase lindernd sein kann, wie man den Zeitpunkt der Entscheidung ausloten kann und viele weitere Informationen rund um das Thema geben. Dabei begleiten werden sie Linda Hüllbrock, Kindertrauerbegleiterin beim Verein Wolkenschieber und Mareike Neumayer, Trauerbegleiterin im Hospiz- und Palliativ-Verein Gütersloh. Die beiden geben zusätzliche Impulse zu Fragen zum Verlauf von Trauer und den vielfältigen Gefühlen, die dabei aufkommen können und Anregungen zur Gestaltung von Abschied und Ritualen.

Linda Hüllbrock vom Verein Wolkenschieber e.V. begleitet Familien, Kinder und Jugendliche in der Trauer – auch in der Trauer um ein Tier.

Wer sich für das Seminar von Dr. Mary Ann Sommer „Eine besondere Trauer? – Wenn ein Tier stirbt“ am Mittwoch, 31.1.2024 in  der Hospiz- und Palliativ-Akademie Gütersloh interessiert, findet weitere Infos und Anmeldemöglichkeit HIER

Mehr zur mobilen Praxis von Dr. Mary Ann Sommer finden Sie hier: https://naturtierärztin.de/

Dazu noch zwei Podcast-Empfehlungen zum Thema:
https://gpm-vet.de/podcast-alt
GPM – Gesellschaft für Pferdemedizin (gpm-vet.de) Folge „Ethik und Euthanasie“

https://tierarzt-pollmueller.de/podcast/
Doc Pollys Tiersprechstunde Podcast, Folge 13: „Hilfe, mein Tier stirbt. Und jetzt?“