„Ich weiß, was ich will“- unter diesem Titel stand ein neues Seminarangebot unserer Akademie. Wir haben damit Menschen mit geistiger Behinderung eine Möglichkeit geboten, sich mit den Themen Sterben, Tod und Trauer auseinanderzusetzen. An sechs Samstagvormittagen ging es in kleiner Runde um Themen wie „Wer bin ich?“, „Was habe ich schon alles erlebt?“ „Was weiß ich über das Kranksein?“, „Was kommt nach dem Tod?“. Auch ein Besuch auf dem Friedhof mit anschließendem Butterkuchenessen – wie beim Beerdigungskaffee – stand auf dem Programm.  Am letzten Kurstag wurden die Ergebnisse den Angehörigen, jur. Betreuern oder den Mitarbeitenden der Wohnstätten vorgestellt. Sie können nun als Grundlage zur Erstellung einer Patientenverfügung verwendet werden.

Der Weg zeigt sich beim Gehen

Die besondere Herausforderung dieses Kurses bestand darin, dass zwar die Themen und Inhalte schon vorher geplant waren, dass die konkreten Methoden aber erst von Woche zu Woche entwickelt werden konnten, nachdem feststand, was die Teilnehmenden an Fähigkeiten mitbrachten und wie weit sie bereit waren, sich auf das Thema einzulassen. Koordinatorin und Kursleiterin Evelyn Dahlke hatte ein kleines Team von ehrenamtlich Mitarbeitenden des Hospiz- und Palliativ-Vereins um sich, so dass nahezu eine 1:1- Betreuung stattfand.

Es waren viele intensive Momente, die den Kurs prägten. Auf unterschiedliche Weise drückten die Teilnehmerinnen ihre Erfahrungen und Gefühle aus. Sie waren mutig und offen, sich auf die Themen einzulassen. Es war manchmal beeindruckend, welche deutlichen Vorstellungen es gab – und wie wichtig es war, dass diese nun formuliert wurden. „Auch das ist Selbstbestimmung“, so Evelyn Dahlke.

Verstehen, was passiert

Bei der Betrachtung des eigenen Lebenswegs zum Beispiel war es der Teilnehmerin Ingrid M, 66, sehr wichtig, dass sie noch viel Zeit zum Leben hat, um die Dinge zu tun, an denen sie Freude hat. Sie hat deshalb das Bild für die Beerdigung auf dem ausgelegten Lebensweg erstmal weit weggeschoben.

Marion D., die Schwester einer Teilnehmerin hat mit gemischten Gefühlen darauf reagiert, dass ihre Schwester einen solchen Kurs machen möchte: „Ich wusste nicht, ob sie das alles versteht.“  Evelyn Dahlke erläutert dazu, dass alle Teilnehmerinnen schon Erfahrungen mit dem Sterben gemacht haben und da, wo sie keine Informationen haben, müssen sie ihre Fantasie bemühen in dem Versuch zu verstehen, was passiert. Das ist meistens problematischer als die Wahrheit und sachliche Informationen.

Der Teilnehmerin Andrea T. hat der Sarg Angst gemacht. Ihr gefiel jedoch die Vorstellung, dass ein Sarg auch bunt bemalt sein kann.

Den Friedhof dagegen fanden die Teilnehmerinnen alle eher schön. „Es ist so schön ruhig und es gibt so viele Blumen dort.“, so die Teilnehmerin Ingrid M. Die Teilnehmerin Christine D. war traurig, darüber, dass sie nicht wusste wo ihre Mutter beerdigt ist: „Ich würde gerne mal Blumen hinbringen.“

„Es hat gut getan, hier darüber reden zu können“

„Alle Teilnehmerinnen hatten die Vorstellung, dass die Seelen der verstorbenen im Himmel sind und es dort eines Tages ein Wiedersehen gibt“, so Evelyn Dahlke. Die Teilnehmerin Anja H. hat erst kürzlich zwei nahe Angehörige verloren. Es hat gut getan hier darüber reden zu können. Viele verstehen nicht, dass ich immer noch traurig bin.“

Das Konzept des Kurses „Ich weiß, was ich will – Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Trauer für Menschen mit geistiger Behinderung“ bringt die Hospiz- und Palliativ-Akademie Gütersloh in 2023 als Inhouse-Schulung in Einrichtungen, die sich das wünschen.

Seminar Ich weiß was ich will